Tätigkeitsbericht 2007
AKNÖ unterstützt Petition an Gesundheitsministerin
Presseartikel vom 5.8.2004
Petition an die Gesundheitspolitik
Niedergelassene Onkologen



Tätigkeitsbericht 2007
Gerichtsurteil: Krankenkasse muss Therapie in der Praxis bezahlen!

Kürzlich wurde die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) vom Wiener Arbeits- und Sozialgericht dazu verurteilt, einer klagenden Patientin die Kosten für das Heilmittel Avastin® (Bevacizumab) für die Verabreichung in einer internistisch-onkologischen Praxis zu ersetzen.
Dem Urteil war ein 16 Monate dauerndes Verfahren in erster Instanz vorausgegangen. Da die WGKK auf eine Berufung verzichtete, ist dieses Urteil rechtskräftig und somit in gewisser Weise als Präzedenzfall anzusehen.
Im Verfahren argumentierte die WGKK, Avastin® sei als „Arzneimittel für Krankenanstalten“ von der Erstattung im niedergelassenen Bereich ausgeschlossen und mit der Pauschalzahlung an den Krankenanstaltenfonds auch finanziell abgegolten. Eine Kostenübernahme im niedergelassenen Bereich würde demnach eine doppelte finanzielle Belastung für die Kasse bedeuten. Die klagende Patientin verwies darauf, dass sie nicht zu einer für sie subjektiv stark belastenden Spitalsbehandlung gezwungen werden könne, wenn die Therapie auch in einer onkologischen Praxis durchführbar ist. Im Krankenhaus sei der durchschnittliche Zeitaufwand für die Behandlung deutlich höher, in den meisten Spitälern werden die Patienten für jede einzelne Infusion – aus verrechnungstechnischen Gründen – sogar über Nacht (2 Tage) aufgenommen, so auch im Spital der WGKK, dem Hanuschkrankenhaus.
Das Urteil stützt sich im Wesentlichen auf ein pharmakologisch/onkologisches und ein psychiatrisches Fachgutachten.

Nachfolgend einige interessante Passagen aus der Entscheidungsbegründung:

…für die Befindlichkeit ist aus psychiatrischer Sicht die Verabreichung der Substanz „Avastin“ in einer fachärztlichen Ordination aus psychohygienischen Gründen einer Spitalsbehandlung (stationär oder teilstationär- wie tagesklinisch) vorzuziehen…

…die Durchführung der Avastin-Therapie in einem Krankenhaus ist jedoch nicht erforderlich. Es spricht nichts dagegen, dass die Verabreichung beim Wahlarzt erfolgt und zwar auch nicht, wenn die Gefahr von Komplikationen besteht…

…Der Sachverständige führt ausdrücklich aus, dass selbst bei Auftreten von Komplikationen nichts gegen die Behandlung in der Ordination spricht. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die Durchführung der Behandlung nicht im Spital erfolgen muss. Das Gericht sieht keinen Anlass an den Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln…

…Das Heilmittelverzeichnis (Erstattungskodex) des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger schränkt das Recht des Patienten auf die für die ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht ein...

…Unter Anwendung der gleichen Grundsätze kann das Recht des Patienten auf Behandlung durch den Wahlarzt nicht eingeschränkt werden, wenn nur die Behandlung durch den Wahlarzt eine ausreichende, zweckmäßige und das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Krankenbehandlung darstellt…

…Daraus ergibt sich, dass wenn die Behandlung in einer Krankenanstalt nicht nach dem Stand der Wissenschaft geboten ist, ja dadurch sogar eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten würde (Anm.: durch die psychische Belastung), der Versicherte im speziellen Einzelfall auch nicht verpflichtet sein kann, für die Behandlung eine Krankenanstalt an Stelle seines Wahlarztes in Anspruch zu nehmen…

…Es ist daher zusammenfassend im Rahmen einer Bewertung der Qualität der Behandlung, der Eignung der Maßnahme, des Ausmaßes der Behandlung und des angestrebten Erfolges davon auszugehen, dass die Verabreichung des Präparats „Avastin“ eine im Sinne des ASVG zweckentsprechende und notwendige Krankenbehandlung ist, die durch den Wahlarzt vorgenommen werden kann...

Soweit die Begründung des Arbeits- und Sozialgerichts. Welche Schlüsse können nun aus diesem Urteil gezogen werden? Wofür könnte dies als Präzedenzfall dienen?

Da wäre zunächst die eindeutige Feststellung des Gerichtes, dass Avastin® nicht zwangsläufig im Krankenhaus verabreicht werden muss, somit nicht als „Arzneimittel für Krankenanstalten“ anzusehen ist, ganz im Gegensatz zur Einschätzung des Hauptverbandes, der dieses Präparat aus diesem Grund bisher auch nicht in den Erstattungskodex (EKO) aufgenommen hat.

Dies bedeutet nun aber, dass Avastin®, unter Berufung auf das vorliegende Urteil, eigentlich in die gelbe Box des EKO aufgenommen werden müsste.

Analog sollte dies auch für ähnliche Präparate mit vergleichbarem Wirkprinzip (monoklonale Antikörper), wie beispielsweise Herceptin®, Erbitux®, Vectibix®, Mabcampath® etc. in gleicher Weise gelten. Zumindest sind durch das nun vorliegende Urteil die Chancen für die vertreibenden Pharmaunternehmen sprunghaft gestiegen, mit einem Antrag auf Aufnahme der erwähnten Heilmittel in den Erstattungskodex bei der Heilmittelkommission erfolgreich zu sein.

Der zweite Rückschluss erfolgt aus der Bewertung des psychiatrischen Fachgutachtens durch das Gericht.
Das Gutachten ergab im konkreten Fall, dass bei der Patientin frühere, häufige, retrospektiv gesehen frustrane Spitalsbehandlungen mittels Chemotherapie zu einer seelischen Traumatisierung geführt haben, wodurch jede weitere Therapie im Krankenhaus zu einer starken seelischen Belastung geführt hätte, was die Lebensqualität negativ beeinträchtigt hätte und daher im Sinne des Therapieziels in einer palliativen Situation kontraproduktiv gewesen wäre.

Das Gericht erkennt an (siehe oben), dass die Verabreichung der Therapie in einer fachärztlichen Ordination aus psycho-hygienischen Gründen in dieser Situation gegenüber der Spitalsbehandlung von Vorteil und damit zweckmäßiger sein kann.

Dies bedeutet somit, dass nun die Verabreichung einer onkologischen Therapie in der Praxis vor allem in jenen Fällen gegenüber dem Chefarzt stichhaltig begründet werden kann, wenn der/die betreffende Patient(in) eine Spitalsbehandlung als subjektiv belastend empfindet, vorausgesetzt, die Behandlungsqualität ist auch in der Ordination gegeben (Facharzt für Onkologie)



Stellungnahme des Hauptverbandes und des Ministeriums zum Verfassungsgutachten von Prof. Stefan Hammer

In der letzten Aussendung haben wir über ein von der ÖGEAK in Auftrag gegebenes Gutachten des Verfassungsexperten Univ. Prof. Dr. Stefan Hammer berichtet, wonach der „Ausschluss der so genannten ‚Arzneimittel für Krankenanstalten‘ von der Erstattung im niedergelassenen Bereich“ verfassungswidrig sei.

Dazu möchten wir nun die Stellungnahme des Gesundheitsministeriums wiedergeben:


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Sehr geehrter Herr Dr. Halbritter!

Zu Ihrem Schreiben vom 19.4.2006, in dem Sie von Problemen hinsichtlich der Bewilligung von Heilmitteln berichtet haben, hat der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nun die beiliegende Stellungnahme vorgelegt, die bei einer ersten Übermittlung leider offenbar nicht im Ministerium angekommen ist.

Nachdem nunmehr auch die von Ihnen angekündigte Zusammenfassung eines Rechtsgutachtens vorliegt, teilt Ihnen das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen Folgendes mit:

Ihre Kritik an den gesetzlichen Regelungen, die die so genannte „Negativliste“ vorsehen, beruht nach der Auffassung des Ministeriums auf einem Missverständnis. Das Gesetz enthält folgende Formulierung:

„Der Hauptverband hat eine Liste jener Arzneimittelkategorien zuerstellen, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs. 2 geeignet sind, da sie z.B. überwiegend- zur Behandlung in Krankenanstalten,

- unter ständiger Beobachtung oder
- zur Prophylaxe
verwendbar sind.“ (§ 351c Abs. 2 ASVG)

Die überwiegende Verwendung eines Heilmittels zur Behandlung in Krankenanstalten wird somit nur als ein Beispiel für Gründe angeführt, aus denen ein Heilmittel zur Krankenbehandlung im Allgemeinen – nämlich im Sinne des § 133 Abs.2 ASVG, dem zufolge eine Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig zu sein hat, das Maß des Notwendigen jedoch nicht überschreiten darf - nicht geeignet sein kann.

Die Bestimmung ordnet keineswegs selbst an, dass bestimmte Medikamente nur in Krankenanstalten verabreicht werden dürfen. Der „gesetzliche Ausschluss der überwiegend in Krankenanstalten verwendeten Arzneimittel von der Erstattungsfähigkeit im niedergelassenen Bereich“ (so die von Ihnen vorgelegte Zusammenfassung eines Rechtsgut-achtens), gegen den sich das Gutachten richtet, besteht somit in Wahrheit nicht.

Es erübrigt sich daher die im Gutachten vorgenommene Beurteilung der Frage, ob ein solcher Ausschluss verfassungsrechtlich zulässig wäre.

Die Frage, ob und unter welchen Umständen ein Heilmittel von der Krankenversicherung zu gewähren ist, ist letztlich nach dem bereits zitierten allgemeinen Zweckmäßigkeitsgrundsatz des § 133 Abs. 2 ASVG zu beurteilen. Soweit Heilmittel nach dem Erstattungskodex nicht allein nach dem Ermessen der behandelnden Ärztinnen bzw. Ärzte auf Kosten der Krankenversicherung verordnet werden können, obliegt es den chefärztlichen Diensten der Krankenversicherungsträger, diese Frage zu beurteilen.

Die so genannte „Negativliste“ stellt lediglich klar, bei welchen Heilmitteln die Beurteilung der Frage, ob eine Gewährung im niedergelassenen Bereich zu erfolgen hat, stets auch dem chefärztlichen Dienst zukommt.

Dass die von Ihnen in Zweifel gezogene Gesetzesbestimmung an dieser grundsätzlichen Regelung des Krankenversicherungsrechtes nichts ändert, geht schon aus der darin verwendeten Formulierung „im Allgemeinen“ hervor. Eine chefärztliche Bewilligung eines in der „Negativliste“ angeführten Medikamentes ist also ohne weiteres rechtlich möglich.

Im Falle der Ablehnung durch den chefärztlichen Dienst steht dem/der Betroffenen das Rechtsschutzinstrumentarium im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung uneingeschränkt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Für die Bundesministerin:
Dr. Günter Porsch


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Aus den obigen Ausführungen ergibt sich somit, dass die Weigerung der Kostenübernahme für onkologische Arzneimittel zur Behandlung in einer onkologischen Praxis durch die Sozialversicherung auf jeden Fall illegal wäre.

Sollte die Argumentation des Ministeriums zutreffen, so müsste die Kasse die entsprechenden Heilmittel bei Vorhandensein einer entsprechenden Infrastruktur und bei Verordnung durch einen onkologischen Facharzt bewilligen, andernfalls wäre dies gesetzeswidrig.

Bei Zutreffen der Ausführungen im Gutachten von Prof. Hammer wären die gesetzlichen Grundlagen, auf welche sich die Kasse bei Ablehnung der Kostenübernahme berufen könnte, verfassungswidrig.



Regierung erfüllt ÖGEAK-Forderung nach Begrenzung der Rezeptgebühr!

Bereits im Jahre 2002 haben wir, gemeinsam mit der Frauenselbsthilfegruppe nach Brustkrebs und dem Hausärzteverband, in einer Petition an die damalige Gesundheits­ministerin Rauch-Kallat unter anderem darauf hingewiesen, dass viele chronisch Kranke, wie z. B. Krebspatienten teilweise massiv durch Rezeptgebühren belastet sind.

Wir wissen aus Erfahrung, dass Rezeptgebühren von 100 Euro monatlich oder darüber keine Seltenheit darstellen, was Ausgaben in der Höhe von bis zu 15 Prozent (!) des Nettoeinkommens bedeutet.

Damals wurde unser Anliegen noch nicht positiv beantwortet, offenbar hat man die Dimension des Problems im Ministerium noch nicht erkannt.

In einem persönlichen Gespräch mit der (scheidenden) Ministerin Rauch-Kallat nach der letzten Nationalratswahl (in der Phase der Regierungsverhandlungen) haben Vertreter unserer Gesellschaft noch einmal ausdrücklich auf diese konkrete Problematik hingewiesen – offenbar mit Erfolg, denn wenige Wochen später, bei der Regierungserklärung, wurde die Deckelung der Rezeptgebühren, als Teil des Koalitionsabkommens, öffentlich präsentiert.



Ausblick für 2008

Auch im kommenden Jahr ist es in besonderem Maße notwendig, sich für die Anliegen der ambulanten Krebstherapie einzusetzen. Dies besonders in Anbetracht der zu erwartenden intensiven Diskussion über die zukünftige Finanzierung des Gesundheitswesens.

Es besteht die reelle Gefahr, dass der ambulante Bereich zugunsten des stationären Sektors weiter beschnitten wird, mit dem Ziel, entgegen aller politischen Ankündigungen, massiv Leistungen wieder zurück nach stationär zu verlagern.

Denn solcherart könnte man bequem die Bilanzen der Krankenkassen „frisieren“, somit eine Sanierung vortäuschen, obwohl man damit global die Gesundheitskosten natürlich weiter massiv in die Höhe treiben würde, nur zahlen wir die Rechnung dann nicht über die SV-Beiträge, sondern über unsere Steuern (und die Politiker können zu Recht hoffen, dass dies niemandem auffallen wird).

Dabei muss erwähnt werden, dass die ambulante Krebstherapie auch im Krankenhaus massiv vernachlässigt wird.

Nach wie vor kann eine Chemotherapie im Spital nicht ambulant verrechnet werden. Dies führt dazu, dass selbst einfache Injektionen (z.B. Bortezomib) nur dann verrechnet werden können, wenn der Patient dafür (zumindest pro forma, meist aber de facto) stationär aufgenommen wird.

Dieses System führt einerseits zu unnötiger überbordender Bürokratie, andererseits zu einer wenig patientengerechten, ja teilweise sogar unmenschlichen Medizin.

Man denke dabei nur an die so genannten „verrechnungstechnischen“ stationären Aufnahmen, beispielsweise bei der Infusionstherapie mit Herceptin.

Nur wenige Zentren verabreichen die Therapie tagesklinisch, meist muss die Patientin - oft auf Druck der Spitalsverwaltung - für jede einzelne Infusion 2 Tage (im Privatspital oft sogar 3-4 Tage) stationären Aufenthalt in Kauf nehmen, für eine 1-jährige adjuvante Therapie somit 34 Tage (im Privatspital 51 bis 68 Tage) Krankenhausaufenthalt, medizinisch meist vollkommen sinnlos.

Eigentlich ein absolutes Paradoxon: Wir machen die Therapie (durch stationäre Verabreichung) massiv teurer, damit sie überhaupt verrechnet werden kann.

Diese Situation lässt sich nur dann verbessern, wenn die ambulante Therapie, extra- wie intramural, endlich massiv aufgewertet wird.

Es wird sich so lange nichts daran ändern, solange man als behandelnder Arzt für eine tagesklinische (ambulante) Behandlung nur mit einem Zehntel des Honorars im Vergleich zu einer mehrtägigen stationären Therapie abgespeist wird und solange das Krankenhaus nur über „verrechnungs-technische“ stationäre Aufnahmen zur Kostendeckung kommt.

Ein weiterer Nachteil der ausschließlich stationären Verabreichung:
Innovative Therapien mit neu zugelassenen Heilmitteln können im Krankenhaus erst dann verrechnet werden, wenn sie in den LKF- Leistungskatalog aufgenommen wurden, dies dauert nach der Zulassung noch 6 bis 18 Monate

In dieser Zeit werden diese neuen Heilmittel (nachweislich) nur selten den österreichischen PatientInnen angeboten, da sich nur wenige Häuser das sich aus diesem Umstand ergebende Defizit leisten können.

Ich erachte es daher als unsere Pflicht, auch in Zukunft auf diese Schwachstellen in unserem (sonst so hoch gelobten) Gesundheitswesen hinzuweisen, wir sind es unseren Patienten schuldig!

Dr. Wolfgang Halbritter
Präsident der Ögeak

Bad Vöslau, im Dezember 2007

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