Presseartikel vom 5.8.2004
Aussendung 2004
Aussendung 2003
Aussendung 2002
Petition an die Gesundheitspolitik
Niedergelassene Onkologen



Aussendung 2003
Sehr geehrte Kollegin! Sehr geehrter Kollege!
Geschätzte Vereinsmitglieder!

Eine im Vorjahr in unserem Auftrag durchgeführte Befragung unter 258 Krebs-PatientInnen hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig aus Sicht des/ der Betroffenen die persönliche Betreuung durch den behandelnden Krebsspezialisten ist.

„Persönliche Betreuung“ wurde folgendermaßen definiert: Behandlung immer durch den selben Arzt (des Vertrauens), welcher stets vor Ort verfügbar ist mit genügend Zeit für die Anliegen seiner Patienten.

Auf die Frage „Was halten Sie (optimale medizinische Qualität vorausgesetzt) in bezug auf ihre Behandlung für besonders wichtig?“ gaben 69 % der Befragten die persönliche Betreuung durch den behandelnden Krebsspezialisten als „sehr wichtig“ an.Alle anderen Auswahlmöglichkeiten (z. B. persönliche Betreuung durch den Hausarzt, psychologische Betreuung, komplementäre Therapie) lagen im Ranking weit dahinter (für 33 – 42% „sehr wichtig“), die Möglichkeit zur Teilnahme an klinischen Studien sahen gar nur 12% als sehr wichtig an.
Diese Zahlen sollten zu denken geben, vor allem denjenigen, die unser Versorgungssystem immer als vorbildlich darstellen und den Eindruck erwecken wollen, alles sei in bester Ordnung, solange wir in Österreich in der Lage sind, international herzeigbare Studien zu produzieren.

Ohne die Bedeutung guter klinischer Studien schmälern zu wollen muss doch angemerkt werden, dass die primäre Aufgabe eines medizinischen Versorgungssystems immer noch die optimale medizinische Betreuung unserer PatientInnen sein muss.
Es ist also zu fordern, dass es möglichst flächendeckend in sämtlichen Regionen Österreichs vor Ort ansässige Onkologen gibt, welche ihren PatientInnen zur persönlichen Betreuung zur Verfügung stehen, und zwar nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch in den peripheren Regionen (Einzugsgebiete der Standardspitäler).

Auch vom medizinischen Standpunkt würde dies Sinn machen, denn die Voraussetzung einer adäquaten palliativen Therapie (welche den weitaus größten Teil der dezentralen Behandlungen ausmacht) ist der engmaschige Kontakt zwischen Therapeut und Patient.

Gerade in diesem Punkt sind wir vom Idealzustand noch meilenweit entfernt. Derzeit gibt es bundesweit ganze 22 internistisch-onkologische Einrichtungen (mit einem Hämato-Onkologen als Abteilungsvorstand bzw. letztverantwortlicher Arzt), welche hauptsächlich in den Ballungszentren angesiedelt sind.Zum Vergleich: alleine in München (mit 1,3 Mio. Einwohnern) gibt es 23 internistisch-onkologische Zentren (Schwerpunktpraxen mit Tagesklinik sowie Spitalsabteilungen) somit mehr als in ganz Österreich bzw. mehr als 3 mal soviel wie in Wien!
Die meisten peripheren Regionen in Österreich sind entweder ganz ohne internistischen Onkologen oder werden mittels Konsiliardiensten (im Schnitt ein Besuch alle 1-2 Wochen) mehr oder weniger notdürftig versorgt.Bei einer Round table Diskussion im Jahr 1999 über die ambulante Onkologie meinte Prof. Samonigg (ein erklärter Gegner der Etablierung frei praktizierender Onkologen), er befürworte zwar die ambulante Therapie, aber warum müsse dies extramural und nicht weiter wie bisher ausschließlich in den Krankenhäusern stattfinden?
Die Antwort darauf wäre simpel: „Weil bei unserem derzeitigen System eine flächendeckende Versorgung durch Spezialisten vor Ort alleine durch die Krankenhäuser nicht zu erreichen ist!“Ich höre schon das Gegenargument: „ja in Großbritannien oder Holland gibt es auch keine niedergelassenen Onkologen, dort funktioniert es doch auch?“

Nun sind in England oder den Niederlanden die Fachärzte (und damit auch Onkologen) zwar tatsächlich ausschließlich in Krankenhäusern oder Gesundheitszentren zu finden, sie betreuen aber dort ihre Patienten – und dies ist der feine aber entscheidende Unterschied- eigenverantwortlich und können ihre Anwesenheit im Krankenhaus je nach Erfordernis selbst bestimmen, sind also nicht, wie bei uns üblich, in den Routinebetrieb eines Krankenhauses mit 6-8 Nachtdiensten und 70 oder mehr Wochenstunden eingebunden.
Sie sind also de facto frei praktizierende Ärzte, welche die Struktur des Krankenhauses nutzen und meist auch über Belegbetten für ihre stationären Patienten verfügen – optimale Voraussetzungen für eine umfassende persönliche Betreuung der PatientInnen vor Ort.

In Österreich gibt es zur Zeit nur eine einzige Gruppe von Onkologen mit dem „Privileg“, ihre Patienten nach ihren Vorstellungen eigenverantwortlich betreuen zu können, und dies sind ausschließlich Abteilungsvorstände.Welcher der Klinikchefs, welche gegen die Etablierung frei praktizierender Onkologen massiv auftreten, wäre wohl bereit, eine Oberarztstelle an einem peripheren Krankenhaus anzutreten, wo er nebst der umfangreichen Routinearbeit einer allgemein-internistischen Abteilung inklusive 6-8 Nachtdiensten monatlich auch noch quasi „nebenbei“ die Versorgung onkologischer Patienten der Region sicherstellen soll?
Es gibt also in Österreich, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen EU- Ländern, kaum attraktive Stellenangebote für internistische Onkologen.Da darf man sich doch nicht wundern, wenn die medikamentöse Krebstherapie in Österreich zum allergrößten Teil nach wie vor nicht durch internistische Onkologen erfolgt.

Einerseits bleibt also bisher der ausgeprägte Wunsch der betroffenen PatientInnen nach einer umfassenden Betreuung vor Ort oft unerfüllt andererseits bilden wir in den onkologischen Zentren mehr und mehr hochqualifizierte Spezialisten aus, welche dann nach Abschluss ihrer Ausbildung, so sie nicht an der angestammten Abteilung bleiben können, sozusagen auf der Straße stehen.

Dazu einige konkrete Beispiele: Eine fertig ausgebildete Hämato-Onkologin in Graz musste mangels Betätigungsmöglichkeit umsatteln und begann mit einer kardiologischen Ausbildung.

Eine Kollegin aus Wien fand einen Job als Kontrollärztin einer Krankenkasse, eine weitere Hämato-Onkologin hängte mangels an Zukunftsperspektiven ihren Beruf überhaupt an den Nagel und wurde Hausfrau und Mutter, ein Kollege wechselte in die Pharmabranche und wurde Studienmonitor, ein weiterer auf onkologischem Gebiet hochqualifizierter Internist kam auf eine Palliativstation, aber nicht etwa als leitender Arzt (was durchaus Sinn machen würde), sondern ist in der Hierarchie einer Allgemeinmedizinerin (!) untergeordnet.
Diese Liste könnte man sicher weiter fortsetzten und es ist anzunehmen, dass sich die Situation weiter verschärfen wird.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht sein, dass sowohl die Bedürfnisse der betroffenen PatientInnen als auch des Großteils unserer eigenen Gruppe auf der Strecke bleiben, nur weil einige Wenige sich weiterhin ihre Pfründe sichern wollen!

Daher müssen wir in Zukunft noch intensiver auf unsere Anliegen hinweisen.Es muss doch auch in Österreich möglich sein, dass man als frei praktizierender Onkologe unter adäquaten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie in anderen EU-Staaten auch, eigenverantwortlich tätig werden kann!

Mit besten Empfehlungen!
Dr. Wolfgang Halbritter

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