Presseartikel vom 5.8.2004
Aussendung 2004
Aussendung 2003
Aussendung 2002
Petition an die Gesundheitspolitik
Niedergelassene Onkologen



Plant Hauptverband Anschlag auf extramurale Betreuung Schwerkranker?
Der Hauptverband der SV-Träger hat im Zusammenhang mit der Erstellung des sogenannten „Erstattungskodex“, welcher das bisherige Heilmittelverzeichnis ab 2005 ersetzten soll, eine „Liste nicht erstattungsfähiger Arzneimittelkategorien“, welche bereits seit 01. 04. 2004 in Kraft ist, erstellt.Die, in diese Liste bis Ende des laufenden Jahres aufzunehmenden Heilmittel, werden nicht im Erstattungskodex gemäß § 31 Abs. 3 Z 12 ASVG angeführt und „dürfen grundsätzlich nicht auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden“ (§ 1 Abs. 3, Verlautbarung 34/2004; abrufbar im Internet unter www.avsv.at).

Äußerst bemerkenswert ist die Begründung zur Kategorie 1 („Arzneimittel zur Behandlung in Krankenanstalten“), wo es heißt "Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung in Krankenanstalten... ...verwendbar sind, dienen im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im niedergelassenen Bereich im Sinne des § 133 Abs. 2 ASVG".

Diese Diktion birgt einigen Konfliktstoff in sich, denn dies würde den Hauptverband ermächtigen, alle Heilmittel, die bisher „überwiegend“ (also definitionsgemäß zu mehr als 50 Prozent) im Krankenhaus verabreicht wurden, nunmehr gänzlich von der Erstattung im niedergelassenen Bereich auszuschließen(!!).
Streng genommen würde dies bedeuten, dass neben Krebsmitteln (Zytostatika, Antikörper, Zytokine u.a.) beispielweise auch bestimmte moderne Antirheumatika, Immunglobuline, aber auch parenterale Antibiotika u.v.a.m. spätestens ab 01. 01. 2005 nicht mehr „erstattungsfähig“ wären.
Was dies für die ambulante Betreuung vor allem chronisch Erkrankter (z. B. mit Krebs, Rheumatismus, Cystischer Fibrose etc.) im extramuralen Bereich (auch zu Hause) bedeuten würde, kann sich jeder leicht ausrechnen.
Es wäre mit Sicherheit das Ende einer humanen patientenorientierten Medizin, wenn auf diese Art und Weise ohne medizinische Notwendigkeit, möglicherweise auch zum Nachteil des Patienten, Spitalsbehandlungen von oben zwangsverordnet würden.

Ganz offensichtlich nimmt man mit dieser Verordnung die (derzeit noch wenigen) niedergelassenen Onkologen ins Visier, es handelt sich um einen Versuch, die extramurale onkologische Therapie, die sich trotz äußerst schlechter Honorierung durch die Kassen an einigen Orten zumindest halten konnte, nun endgültig zum Scheitern zu bringen.
Auch wenn medizinische Gründe vorgeschoben werden, ist der wahre Grund für diese geplante Maßnahme doch das Bestreben, die teilweise teuren Medikamente im pauschalierten Spitalsbudget unterzubringen.

Auf diese Art die Bilanzen der Krankenkassen zu „frisieren“ und dies als „Sanierung“ derselben zu verkaufen, wäre natürlich Betrug am Beitrags- bzw. Steuerzahler, weil zwar die offiziellen Krankenversicherungsbeiträge damit vielleicht nicht sofort angehoben werden müssten, jedoch die anfallenden Mehrkosten durch stationäre Therapien dann eben durch erhöhte Steuern oder Abgaben vom Bürger finanziert werden.
Auf Grund dieser potenziellen Bedrohung hat die ÖGEAK bereits bei wichtigen Entscheidungsträgern (Gesundheitsministerium, Hauptverband, Ärztekammer, Pharmig) interveniert und auf die Problematik, unter anderem auch auf die juristische Unhaltbarkeit (Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit und der freien Arztwahl) der Diktion dieser Hauptverbands- Verordnung hingewiesen.

Bei der letzten Vorstandsitzung der ÖGHO wurde dieses Problem durch Beiratsmitglied Dr. Halbritter thematisiert. Dabei gelang es, nach teilweise emotional geführter Debatte, dem ÖGHO- Vorstand die Zusage abzuringen, eine ev. Anfrage des Hauptverbands an die ÖGHO, welche Heilmittel nach objektiven Kriterien ausschließlich nur im Krankenhaus anwendbar sind (es werden sehr wenige sein) nur nach gemeinsamem Konsens zwischen ÖGHO und ÖGEAK zu beantworten.
Eine erste Reaktion aus dem Heilmittelreferat der Österreichischen Ärztekammer scheint nun allerdings Entspannung zu signalisieren, im Antwortschreiben vom 27. 04. 2004 heißt es:„Es steht nicht zur Diskussion, Krebstherapeutika, die bisher im niedergelassenen Bereich in Anwendung stehen, in Zukunft nicht mehr zu erstatten“....es sollen...„die Patientenwünsche im Vordergrund stehen und daher diejenigen Untersuchungen und Behandlungen im niedergelassenen Bereich stattfinden, die medizinisch verantwortbar sind“
Trotz dieser Beteuerungen ist in bezug auf diese Problematik natürlich weiterhin höchste Wachsamkeit angebracht.

Aktuelle ÖGEAK- Aussendungen an Hauptverband und Gesundheitsministerium
Bei einer persönlichen Vorsprache von Vertretern unserer Gesellschaft beim Geschäftsführer des Hauptverbandes Dr. Kandlhofer (im Herbst 2002), hatte sich dieser interessiert über die Möglichkeiten der extramuralen Onkologie gezeigt und auf eine sogenannte EBM- Studie zum Thema ambulante Onkologie, die im Hauptverband erstellt würde, verwiesen.
Diese "EBM-Studie" , welche allerdings nicht von unabhängiger Seite, sondern vom einem ständigen Mitarbeiter im Hauptverband zusammengestellt worden war, ergab -leider muß man sagen, erwartungsgemäß- im Wesentlichen kein positives Urteil über die Onkologie im niedergelassenen Bereich.
Die beiden Hauptargumente waren, dass es in Staaten mit einem hohen Anteil an frei praktizierenden OnkologInnen keinen Beweis für eine verminderte Krebs-Mortalität im Vergleich zu Systemen mit überwiegender Spitalsbetreuung gebe und dass zweitens niedergelassene Fachärzte für Onkologie ohnehin überflüssig wären, weil sie „bei den Krebspatienten ganz normale Routineleistungen von Hausärzten wie Behandlung von Harnwegsinfekten und Diabetes“ erbringen würden.
Dieser offensichtliche Unsinn konnte natürlich nicht unwidersprochen bleiben, nachfolgend unsere Antwort:

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An Herrn
Dr. Josef Kandlhofer
Geschäftsführer des Hauptverbandes der SV- Träger

Sehr geehrter Herr Dr. Kandlhofer!
Anläßlich der bevorstehenden Gesundheitsreform möchten wir nochmals auf die großen Vorteile der ambulanten Versorgung krebskranker PatientInnen durch frei praktizierende Fachärzte hinweisen.Zunächst vielen Dank für Ihre prinzipielle Bereitschaft, unsere Konzepte zur onkologischen Versorgung in Österreich prüfen zu wollen.

Die zuletzt von Ihnen in Auftrag gegebene „EBM-Studie“ ist jedoch leider in keiner Weise geeignet, Antwort auf die Frage zu geben, ob die Einbeziehung frei praktizierender Krebsspezialisten in das Versorgungssystem geeignet ist, die medizinische Qualität der Betreuung Krebskranker zu verbessern, weil man dabei von falschen Voraussetzungen ausgeht.

In einem Telefongespräch hat Ihr Studienbeauftragter Dr. Franz Piribauer uns mitgeteilt, dass er vom Hauptverband beauftragt wurde herauszufinden, ob es EBM gestützte Hinweise auf eine Verminderung der Krebssterblichkeit durch vermehrte Einbindung niedergelassener Onkologen in das Versorgungssystem gäbe. Dieser Ansatz ist deshalb falsch, weil die medizinische Qualität in der onkologischen Versorgung nicht ausschließlich von der Minimierung der Krebs-Mortalität abhängt, sondern auch von der Qualität der palliativen Betreuung der als inkurabel geltenden PatientInnen.
Die Krebs-Sterblichkeit ist von vielen Faktoren abhängig, wie beispielsweise verschiedene Umweltfaktoren, Ernährungsgewohnheiten, die Effizienz der Früherkennung und in gewissem Umfang auch die Qualität potenziell kurativer Therapieansätze.

Die potenziell kurative Therapie ist jedoch überall im Krankenhausbereich angesiedelt, auch in unserem Konzept und in Staaten mit einem hohen Anteil an niedergelassenen Onkologen.
Nirgends beansprucht die extramurale Onkologie, mit der klinischen kurativen Medizin in Konkurrenz treten zu können (wollen).

Der Schwerpunkt in der Praxis liegt vielmehr im palliativen Bereich, also in der Betreuung von PatientInnen mit inkurabler Erkrankung (die leider immer noch etwa 50% aller onkologischen Behandlungsfälle ausmachen) mit dem Ziel, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern bzw. für möglichst lange Zeit zu erhalten.Um unser Versorgungskonzept zu prüfen, welches beansprucht, eine qualitative Verbesserung der palliativen Behandlung in der Onkologie zu bieten, müßte man somit logischerweise evaluieren, inwieweit die Behandlungsziele der palliativen Onkologie damit erreicht werden können.
Hauptziel der palliativen Betreuung ist die Maximierung der sogenannten „quality adjusted life expectancy (QALE)“, der verbleibenden Lebenszeit mit adäquater Lebensqualität.
Durch Patientenbefragungen weiß man, dass aus deren Sicht häufige stationäre Aufenthalte die Lebensqualität stark beeinträchtigen, weil der persönliche Freiraum der Betroffenen dadurch massiv eingeschränkt wird.

Daher muß man –nach breit akzeptierter Lehrmeinung- in der Beurteilung der Effizienz einer Behandlung bezüglich QALE die stationär im Krankenhaus verbrachte Zeit von der ev. erzielten Lebensverlängerung wieder abziehen.
Eine vorwiegend stationär durchgeführte palliative Therapie ist somit bezüglich des Therapieziels kontraproduktiv, (ausgenommen Situationen, in denen eine ambulante palliative Betreuung nicht mehr möglich ist) entspricht aber leider in hohem Maß den derzeit in Österreich geübten Gepflogenheiten.Ein Leitsatz in der palliativen Behandlung lautet „so viel wie möglich ambulant, nur soweit notwendig stationär“. Die Minimierung der Krankenhausaufenthalte ist in der Palliativbetreuung ein Qualitätskriterium per se.
Um ein System mit hohem Anteil an frei praktizierenden Onkologen mit einer alleinigen Spitalsbetreuung (wie in Österreich) bezüglich Qualität der palliativen Behandlung zu vergleichen, könnten Sie somit u.a. prüfen, welche Art der Versorgung mit weniger Krankenhausaufenthalten auskommt. Wir laden Sie ein, dies anhand des Ihnen sicherlich vorliegenden Datenmaterials zu tun. Nach unserer Erfahrung kommen PatientInnen von frei praktizierenden Onkologen bei gleicher medizinischer Qualität mit weit weniger Zeit für stationäre Aufenthalte aus und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen:

  • Im Krankenhaus wird erfahrungsgemäß erst dann ambulant behandelt, wenn die Bettenkapazität voll ausgelastet ist.
  • Erfahrene Spezialisten im niedergelassenen Bereich können in vielen Fällen Nebenwirkungen nach Chemotherapien selbst beherrschen und müssen ihre Patienten wesentlich seltener ins Krankenhaus schicken.
Die in Ihrem Schreiben geäußerte Behauptung, niedergelassene Onkologen behandeln ohnehin nur Harnwegsinfekte oder Diabetes und könnten daher ohne weiteres vom Hausarzt ersetzt werden, ist derart absurd, dass sich ein Kommentar dazu erübrigt. Wir laden Sie gerne zu einem Besuch in einer onkologischen Schwerpunktpraxis ein, wo Sie sich vom fachärztlichen Tätigkeitsspektrum selbst ein Bild machen können.

Hingegen teilen wir Ihre Meinung in dem Punkt, dass auch Allgemeinmediziner eine wichtige Funktion im Betreuungskonzept einnehmen. Allerdings stellt sich die Frage, warum die von Ihnen so geschätzte Leistung der Hausärzte in der Betreuung chronisch kranker Krebspatienten nicht annähernd adäquat honoriert wird? In Ländern mit Quartalspauschale bringt die Behandlung eines Schnupfenpatienten das gleiche Honorar wie 3 Monate intensiver Betreuung eines Schwerkranken, dazu kommen noch massive Limitierungen und Deckelungen etwa bei Blutuntersuchungen. Während unter einer Chemotherapie meist ein wöchentliches Blutbild notwendig ist, zahlen die Kassen in einigen Bundesländern (z. B. Kärnten) nur ein einziges Blutbild pro Quartal und Patient.

Diese bisher praktizierte massive Benachteiligung/ Behinderung der auf onkologischem Gebiet tätigen frei praktizierenden Ärzte ist bestenfalls im Interesse von Vertretern ausschließlich stationärer Behandlungskonzepte, welche eine mögliche Konkurrenz für die Spitäler fürchten, aber nützt nach unserer Überzeugung weder dem Gesundheitssystem noch den betroffenen Patienten.

Unser Ziel ist es aber nicht, eine Konkurrenzsituation zu den klinischen Zentren entstehen zu lassen, sondern eine Verbesserung in der Betreuung Schwerstkranker, die einer situativ optimal angepaßten Betreuung und Therapie im Rahmen einer Synergie bzw.Kooperation des stationären und niedergelassenen Versorgungsbereiches bedarf.
Auch damit verbundene Einsparungen bei Einbeziehung wirklich aller Kosten der Krankenbetreuung würden damit erzielbar sein (Wegfall unnötiger Fahrkosten, Reduktion von Nächtigungen im Krankenhaus, Medikamenteneinsparungen durch optimale individualisierte Therapiekonzepte u.a.)Es muss auch deshalb eine Alternative zur Spitalsbehandlung geben, weil es nicht selten Krebskranke gibt, welche sich - aus welchen Gründen auch immer- weigern, zur Therapie in ein Krankenhaus zu gehen. Diese PatientInnen können derzeit gar nicht oder nur inadäquat behandelt werden. Beinahe jeder niedergelassene Hausarzt oder Onkologe kennt solche Fälle.
Daher möchten wir Sie höflichst ersuchen, unsere Vorschläge bei der anstehenden Gesundheitsreform zu berücksichtigen, weil wir davon überzeugt sind, dass die Einbeziehung frei praktizierender OnkologInnen in das Versorgungssystem sowohl aus ökonomischen als auch aus qualitativen Gründen von Vorteil sein wird.

Mit vorzüglicher Hochachtung!

Dr. Wolfgang Halbritter (Präsident)
Dr. Bernhard Hammerl (Schriftführer)


Eine Kopie ergeht an:
  • Frau Bundesminister Maria Rauch-Kallat
  • Herrn Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck
  • ÖBIG, Frau Dr. Michaela Moritz
  • Frau Mag. Beate Hartinger, Hauptverband
Bei dieser Gelegenheit haben wir auch Frau Minister Rauch-Kallat über unsere Ziele in folgendem Begleitschreiben informiert:
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